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POP
Vikesh Kapoor
THE BALLAD OF W ILLY ROBBINS
Loose/Rough Trade CD
(31’)
Auch als LP erhältlich
In seinem frühen Folksong „De-
solation Row“ hatte Bob Dylan
beschrieben, wie Postkarten von
an Galgen hängenden Menschen
verkauft werden, und seine Vi-
sionen in manchen Songs des
letzten Albums „Tempest“ waren
ähnlich düster. Frust über moder-
ne Zeiten wiederum artikulierte
Kollege Bruce Springsteen nach
den „Seeger Sessions“ in einem
Album,
in dem er „all them fat
cats“ der Banken und dem ganzen
Kapitalismus symbolisch mit der
Abrissbirne drohte.
In dieser Pose mag Vikesh
Kapoor nicht auftreten. Er hat
zwar beim Begräbnis von Howard
Zinn, viele Jahre der so ziemlich
berühmtesten Galionsfigur der
Nach dem Nostalgie-Kabinettstück
„Build A Rocket Boys!“ bietet Elbow
den Fans viel indie-/folkrockigen
Wohlklang an. Etwa in „Fly Boy
Blue/Lunette“,
dem zentralen
Stück des Albums, ein Seelen-Strip-
tease als höchst origineller Psyche-
delik-Trip. „The Blanket Of Night“
scheut den Kitsch nicht. Der Titel-
song schreibt die „Tomorrow Never
Knows“-Tradition der Beatles fort,
und nicht nur bei „Real Life (Angel)“
werden demnächst in Stadien Ker-
zen angezündet. In elegischeren
Momenten erinnert das Album hier
- Stimme des Sängers, Einsatz von
Hall usw. - an die frühen Solojahre
von Sting.
F. Sch.
MUSIK
★ ★ ★ ★ ★
KLANG
★ ★ ★ ★
ker“ auf einer neuen „desolation
row“. Resignation ist die weithin
vorherrschende Stimmung. Die um
den unaufhaltsamen Niedergang
des Willy Robbins kreisenden Er-
zählungen hier erinnern eher an
Elliott Smith denn einen die durch
Verfassung verbürgten Rechte e r-
fordernden Woody Guthrie.
In so viel schwelgerischem Wohl-
klang wurde Klassenkampf wohl
noch selten vertont wie hier - Man-
doline und Akkordeon, Harmonika,
Streicher und Kontrabass, Pedal
Steel und Glockenspiel werden
immer ganz dezent eingesetzt,
was Identifikation mit den Schick-
salen der Menschen in diesen
Geschichten stiftet, ohne dabei
Sentimentalität zu provozieren.
Anachronistisch mutet an diesem
Folk-Troubadour nichts an.
Franz Schöler
MUSIK ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
Steht für gesellschaftspolitischen
Folk in der großen amerikanischen
Tradition: Vikesh Kapoor
Elbow
THE TAKE OFF AND
LANDING OF EVERYTHING
Polydor CD (auch als LP erhältlich)
Linken in Amerika neben Noam
Chomsky, einen Song vorgetragen,
nachdem er sich schon lange mit
dessen Gedankengut identifizier-
te. Aber als Protest-Folkie in der
Nachfolge von Phil Ochs begriff er
sich dennoch nicht, als er danach
den Songzyklus schrieb, der jetzt
mit „The Ballad Of Willy Robbins“
vorliegt. In diesem sieht er den
amerikanischen „blue collar wor-
George M ichael
SYMPHONICA
Virgin EMI/Universal CD
(64’)
Mehr Mut bei der Songauswahl
und weniger Pomade bei der Klang-
kosmetik, damit wäre dieser Live-
Mitschnitt von der Tour
2011/12
viel
erfreulicher ausgefallen. So aber
erlebt der Fan immer wieder Ent-
täuschungen. Etwa dann, wenn Mr.
Michael abgenudelte Gassenhauer
wie „My Baby Just Cares For Me“,
die schon
1999
auf seinem Coveral-
bum Ausrutscher waren, nun wie-
derholt. Dass der Brite Fremdtitel
von Elton John und Terence Trent
D’Arby sowie eigene Balladen im
Butterschmalz allzu fetthaltiger
Orchesterkost ertränkt, trägt zum
frustfreien Hören auch nicht gerade
bei. Geschleckte Galaunterhaltung.
hake
MUSIK '
KLANG ★ ★ ★
A n n e tt Louisan
ZU VIEL INFORMATION
105 Music/Sony CD
Eine riesige Weiterentwicklung
kann man in den zehn Jahren seit
dem Debüt „Bohème“ nicht be-
obachten, ist aber nicht schlimm,
auch von der altbewährten Masche
fühlt man sich noch immer recht
gut unterhalten. Auf dem von ihrem
Ex-Partner Martin Gallop produzier-
ten sechsten Album gelingt Annett
Louisan das wie gehabt mit Titeln
zum Schmunzeln und Sinnieren. In
hübschen Chansons zwischen Bar-
relhouse Jazz, Square Dance und
Swing Manouche singt sie mit put-
ziger Mädchenstimme wieder von
den kleinen und großen Dingen im
Leben. Alles allerliebst gedichtet,
alles niedlich vertont, alles einfach
nett.
hake
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Beck
M ORNING PHASE
Caroline CD (auch als LP erhältlich)
(47’)
Die Arrangements schrieb wieder
sein Vater. Die Fortsetzung von
„Sea Change“ - wo wie bei klassi-
schen Scheidungsplatten eine zer-
brochene Beziehung in Songform
„bewältigt“ wurde - ist „Morning
Phase“ nicht. Beck Hansen leidet
an selber gewählter Einsamkeit,
wie er einmal in „Blue Moon“
gesteht. Aber er fühlt sich in der
sehr wohl, zumindest der dadurch
inspirierten Musik nach zu urteilen.
„Heart Is A Drum“ erinnert (wie
mancherorts gemutmaßt) weniger
an Nick Drake, sondern - wie sehr
vieles (auch „Morning“) - weit eher
an die „Tuesday Afternoon“-Stim-
mung bei Moody Blues (
1967
).
F. Sch.
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
Eels
THE CAUTIONARY TALES
OF MARK OLIVER EVERETT
E-Works/Cooperative CD (auch als LP)
(40’)
Was ich noch zu sagen hätte .
..
Mister Everetts musikalisches Mit-
teilungsbedürfnis ist bekanntlich
groß. Und sein elfter Albumtitel
verrät: Es wird episch und reflexiv.
Der Nachfolger des von Aufbruch-
stimmung getragenen „Wonderful,
Glorious“ aus
2013
ist beim
51
-jäh-
rigen Eels-Mastermind wieder äu-
ßerst melancholisch ausgefallen:
vom lennonesken „Lockdown Hur-
ricane“ über das Spieluhrenmotiv
in „Series Of Misunderstandings“
bis zum trotzig-optimistischen
„Where I’m
Going“. Im besten Fall
schläft man beim Hören dieser kon-
templativen Lebensbetrachtung in
CD-Form friedlich ein.
wz
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
128 STEREO 5/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht